The sustainable sky shall have no limit
Probleme können wir niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind, das wusste schon Albert Einstein. Unsere Umwelt- und Klimakrise zum Beispiel. Ein verzwicktes Problem, das komplex, undurchsichtig und riesengroß vor uns liegt und viele von uns ratlos macht. Zwischen Waldbränden, Hitzewellen und Hurrikanen blicken wir alle nervös in die Zukunft.
Climate Anxiety, Klimaangst, heißt ein Gefühl, mit dem viele zunehmend auf Nachrichten Klimawandel reagieren. Andere empfinden Wut, Trauer oder Hoffnungslosigkeit. Das klingt erst einmal furchtbar, aber vielleicht ist es das gar nicht.
Denn endlich kommen wir ins Fühlen! Seit Jahrzehnten warnen Klimaforscher vor der Erderwärmung aber der notwendige Wandel bleibt aus. Wissen führt eben nicht immer zu handeln. Fühlen hingegen schon.
Vielleicht ist diese Angst, der Schmelztiegel, durch den die Menschheit gehen muss, um die Energie und Überzeugung zu gewinnen, die für die lebensrettenden Veränderungen, die jetzt erforderlich sind, benötigt werden. Es fällt vielen von uns so schwer, ins Handeln zu kommen. Wir können alte Gewohnheiten ablegen und neue Ideen entwickeln für eine Zukunft, in der wir leben wollen.
Als wir 2012 unser erstes Business “Kleiderei” gründeten, gesellten wir meine Co-Gründerin Pola und ich uns in eine, im wahrsten Sinne des Wortes, farblose Welt der nachhaltigen Mode. Es gab ein paar Pioniere im Outdoor-Bereich und T-Shirts bekamen wir schon in guter Bio-Baumwoll-Qualität, aber viel mehr war es nicht. Und da Pola und ich weder wandern gingen, noch so aussehen wollten, mussten wir uns selbst etwas überlegen. Und so öffneten wir unsere Kleiderschränke für alle und starteten Deutschlands erstes Access-Over-Ownership-Modell. Kleiderei begann mit einem kleinen Geschäft, zwei Straßen entfernt vom Goldenen Pudel Club in Hamburg, in das wir Kleidungsstücke hängten, die die Kund*innen sich leihen konnten.
Das war so alt wie neu. Es kamen Menschen, die sagten, sie hätten ihr Leben lang noch nie anders Mode konsumiert, immer geliehen, getauscht, Secondhand. Und es kamen noch mehr Menschen, die sagten, sie hätten noch nie Mode geliehen. Und so steckten wir innerhalb kürzester Zeit mittendrin in einer Diskussion über Mode und Konsum. Und Jahr für Jahr kristallisierte sich etwas immer klarer heraus: dieser Mode-Konsum ist Teil der Umwelt- und Klimakrise.
Wir saßen auf vielen Panels und haben mit anderen Exper*innen darüber diskutiert, was sich ändern müsste. Oft ging es darum, dass viele kleine Labels schon sehr viel richtig machen, aber die großen Fast Fashion Player doch auch endlich einmal anfangen müssten, Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsmodelle zu implementieren. Wie oft ich mir das gewünscht habe! Wie oft ich auf der Bühne saß und Vertreter großer Firmen dazu angehalten habe.
Jetzt, endlich, scheint es soweit zu sein. TikTok ist gefüllt mit Videos von jungen Influencer-Teens die ihre Sneaker mit Nachhaltigkeitshacks bewerben. Auf jeder Brand-Website finden wir mit ein paar Klicks eine Sustainability-Strategie. Aber neue Ideen, neue Konzepte, neue Techniken? Weitestgehend Fehlanzeige. Wie unseren Politikern fehlt es der Industrie an Kreativität und es herrscht vor allem ein Wunsch vor: das ganze Problem mit der Hinwendung zu Bio-Baumwolle und recyceltem Polyester zu lösen. Von Transformation keine Spur. Und das ist der Mode! Die sich Saison für Saison neu erfindet. Die Jahrzehntelang davon lebte, Vorreiter zu sein. Einzig die jungen Wilden kommen mit neuen Ideen um die Ecke: Latex aus Kautschuk, Faserrecycling, digitale Mode, Minimalschuhe.
Ich werde oft gefragt, wie sich nachhaltige Produkte erkennen lassen. Die einfachste Antwort sind oft Siegel. Aber in unserem Buch „Das Bio-Pizza Dilemma“ erklären wir auch, dass das nicht alles ist. Heute kleben so viele Siegel auf Produkten, wie früher Sticker auf unseren Laptops. Siegel geben Sicherheit, sie bestätigen den Standard mit dem ein Produkt produziert wurde und sie können sicherlich auch dazu beitragen, Dinge zu verändern. Wenn Siegel nachgefragt werden, entstehen Ansprüche, die entlang der gesamten Lieferkette für Transformation sorgen. Aber Siegel sind eben auch nur so gut wie der Status Quo. Siegel, die Utopien verlangen suchen wir vergeblich. Dabei sollten wir die Umwelt- und Klimakrise mehr mit einer “The Sky Is The Limit”-Einstellung begegnen. Nicht im Sinne der Perfektion, aber im Sinne der Kreativität.
Statt stumpf Kriterien-Kataloge abzuarbeiten können wir uns überlegen, wie Unternehmen in der Zukunft funktionieren sollen. Wie wollen wir Arbeit in der Zukunft gestalten oder wie wirtschaften wir lokal und global in einem angemessen Verhältnis. Welche Produkte wir vielleicht wirklich brauchen. Je wilder die Ideen, desto spannender der Weg dahin und wir wissen es doch alle, das sind die Wege, die wir gehen wollen. Die, die uns bei Laune halten und auf denen wir andere dazu inspirieren ebenfalls ins Handeln zu kommen. Unkonventionelle Ideen braucht unsere Welt, um das verzwickte Problem Umwelt- und Klimakrise anzugehen.
Und das im beruflichen wie auch im privaten.
Es darf emotional werden. Es darf wild werden. Zwischen Klimaangst und Euphorie. Denn es ist nie zu spät, anzufangen. Tut euch zusammen, denkt euch etwas aus und legt los!